MariAntonia/MemoriAntonia Janelas da Memoria [Sao Paulo 2003] |
Hoheisel & Knitz
MariAntonia / MemoriAntonia Janelas da Memoria
Exhibition: MariAntonia / Goetheinstitut Centro Universitario da USP 18. September – 19. Oktober 2003
Eine Ausstellung von Fulvia Molina, Marcelo Brodsky, Andreas Knitz und Horst Hoheisel Erinnerung braucht den Kontakt mit den Dingen. Wir finden zufällig ein lange vergessenes Spielzeug aus unserer Kinderzeit auf einem Dachboden und im gleichen Augenblick fallen uns Kindheitsgeschichten aus unserem Elternhaus ein, die wir lange vergessen hatten. Sao Paulo, Stadt ohne Erinnerung? Das war die Frage, auf die wir gemeinsam mit Künstlern und Kunststudenten in Sao Paulo in einem Workshop nach künstlerischen Antworten suchten. Der Workshop fand parallel zu dem internationalen Kolloquium The Art of Memory im Goetheinstitut Sao Paulo [September 2001] statt. Eine Studentin brachte zum ersten Treffen eine leere Filmdose mit und sagte, ihre Erinnerung an Sao Paulo sei wie diese leere Filmdose. In ihrer Erinnerung gäbe es keine Bilder aus der Vergangenheit dieser Stadt. Die Menschen in Sao Paulo würden nur im Heute leben. Die Vergangenheit wird sofort vergessen. Obwohl viele Freunde uns sagten, man erinnere sich nicht, fanden wir im Kulturzentrum Maria Antonia der Universität von Sao Paulo Bilder der Erinnerung . Es waren Bilder von Barrikaden, Bilder vom Kampf der Studenten gegen die Militärdiktatur aus dem Jahr 1968, aufgereiht im Flur, der zum Büro des Direktors führt.
Ausstellungsbeschreibung
Der Besucher betritt den Ausstellungsraum. Es ist ein dunkler Raum ohne Licht. Er bewegt sich unsicher ein paar Schritte. Plötzlich leuchten in seiner unmittelbaren Nähe Lichter auf, ein Monitor springt an, eine Vitrine leuchtet auf und ein großes Foto erscheint an der Wand.
Auf dem Monitor sieht der Besucher eine Frau oder einen Mann, der etwas erzählt. Doch der Ton, die Worte sind abgekoppelt vom Bild. Die Worte kommen aus der Vitrine, in denen ein merkwürdig fremdes und gleichzeitig banales Ding wie ein wissenschaftlich wertvolles Objekt gezeigt wird. Die Worte erzählen die Geschichte der Studenten von 1968. Das Großfoto an der Wand zeigt den zugehörigen Ort, bevor das Objekt aus ihm herausgelöst wurde. Es ist das 1968 während der Studentenrevolte umkämpfte Nachbargebäude. Die Räume sind im Zuge des Neubaus weitgehend abgetragen. Nur noch die alte Fassade ist stehen geblieben. Die gezeigten Bilder und Objekte sind schon Geschichte geworden.
Bewegen sich mehrere oder viele Menschen im Raum, leuchten mehrere oder alle Teile der Installation auf.
Die Fotos der zu Kunst umgeformten Gegenstände sollen nach den Umbauarbeiten in das renovierte Gebäude des Kulturzentrums MariAntonia zurückkehren und markieren dort genau die Orte, aus denen sie vorher herausgelöst wurden.
Das Ausstellungsprojekt wurde von Fulvia Molina, Marcelo Brodsky, Andreas Knitz und Horst Hoheisel gemeinsam erarbeitet und ausgeführt. Die einzelnen Künstler übernahmen aber Schwerpunkte. So bearbeitete Fulvia Molina [Sao Paulo] den Teil mit den Interviews der Zeitzeugen, Marcelo Brodsky [Buenos Aires] übernahm die fotographische Dokumentation, Andreas Knitz (Alemanha) entwickelte die Fenster-Skulptur und Horst Hoheisel [Alemanha] die Präsentation der Objekte.
In einem zweiten, kleineren Ausstellungsraum werden Arbeiten der einzelnen Künstler gezeigt, die an anderen Orten aber auch im Kontext von Kunst und Erinnerung entstanden sind.
Marcelo Brodsky wird Fotoarbeiten über die Verschwundenen während der Militärdiktatur in Argentinien zeigen und eine Videoarbeit über eine Intervention, die er in diesem Jahr an einer Säule aus der Nazizeit in Hannover [Alemanha] gemacht hat.
Andreas Knitz und Horst Hoheisel werden Ausschnitte aus ihren gemeinsamen Denkmal-Arbeiten in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald und in Weimar zeigen.
Horst Hoheisel wird eine Videoinstallation zeigen, die sich mit Hegels Ästhetik [Maria Antonia war philosophische Fakultät] und mit Gewalt auseinandersetzt. In einer zweiten Installation geht es um den Widerstand gegen das Reichskriegsgericht 1945 in Deutschland.
Fulvia Molina wird ebenfalls eine Arbeit zu Kunst und Erinnerung in diesem Raum zeigen.
Kassel, 8. August 2003
Kuratoren der Ausstellung: Yara Richter, Joachim Bernauer, Goetheinstitut, Lorenzo Mammi, MariAntonia
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