Kunst-im-Bau [Gräfentonna 1999] Drucken E-Mail

Hoheisel & Knitz


[Gräfentonna 1999]


 

Dem Häftling bietet das Gefängnis dasselbe Sicherheitsgefühl wie ein königlicher Palast dem Gast eines Königs. Es sind dies die beiden Gebäude, die mit dem stärksten Glauben erbaut sind und die die größte Gewissheit ausstrahlen, das zu sein, was sie sind - die sind, was sie sein wollten und die es bleiben.
Mauerwerk, Baumaterial, Abmessungen und Architektur befinden sich in Übereinstimmung mit einem geistigen Ganzen, das diese Behausung unzerstörbar erhält, solange die Gesellschaftsform, deren Sinnbild sie sind, bestehen bleibt.
Jean Genet, Tagebuch eines Diebes

 


 


 


 


 


 


 

Fjodor Michailowitsch Dostojewski, russischer Schriftsteller
http://de.wikipedia.org/wiki/Fjodor_Dostojewski


 


Don Carlo Gesualdo, Komponist

http://de.wikipedia.org/wiki/Carlo_Gesualdo



 

 


 

Kunst-im-Bau ©
»Von Caravaggio bis Jean Genet«

Ein Kunstprojekt für den Neubau der Justizvollzugsanstalt Gräfentonna
Wettbewerbsbeitrag, Gräfentonna 1999 [unrealisiert]

In der Kunst-, Musik- und Literaturgeschichte gibt es viel bedeutende Künstler, die Straftaten begingen, verhaftet wurden, und in Gefängnissen saßen. Caravaggio, einer der großen Maler des 16./17. Jahrhunderts, hatte ständig Schlägereien, wurde häufig festgenommen und floh schließlich aus einem Gefängnis in Rom, in dem er wegen Todschlags einsaß. Jean Genet ist einer der großen Dichter unseres Jahrhunderts. Sein erstes Buch schrieb er im Gefängnis. Seine kriminelle Karriere begann als Dieb [Tagebuch eines Diebes].

Thema der Arbeit ist die Berührung von Kunst und Gefängnis über die Vita bekannter straffällig gewordener Künstler. Ort der Arbeit: Portal, Besucherbereich, Andachtsraum, Zellen. Es werden dort Leuchtkästen montiert als Collage aus Portraits, Texten, Bildern, Noten und Biografien bekannter, straffällig gewordener Künstler, Schriftsteller und Komponisten der Kulturgeschichte.

Von den großen Leuchtkästen der Portalwand setzt sich die Reihung der straffällig gewordenen Künstler und ihrer Werke in kleinen in die Wand eingebauten, mit Sicherheitsglas geschützten Leuchtkästen im Besucherbereich, im Andachtsraum bis in die Zellen fort.

Die Arbeit liegt im Spannungsfeld zwischen Kriminalität, bürgerlicher Gesellschaft und kultureller Leistung. Das Zitieren straffällig gewordener Künstler der Zeitgeschichte und ihrer Werke in einem Gefängnis stellt mit der Würde der Kunst die Frage nach der Würde des Menschen und seiner kriminellen Energie. Diese schließt die Schaffung höchster kultureller Werte für die Gesellschaft nicht aus.

Horst Hoheisel und Andreas Knitz, Kassel 1999